Hintergründe

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Was ist Soli-Asyl?

Der deutsche Staat schiebt Menschen ab. Diese Abschiebungen, welche Menschen ihrer Lebensgrundlage berauben und sie wissentlich lebensbedrohlichen Situationen aussetzen, finden wöchentlich statt. Auch in Würzburg wird diese Form von Staatsgewalt praktiziert.

Viele Menschen, die in Würzburg und anderswo leben, wehren sich gegen diese gewaltsamen Abschiebungen. Nicht zuhause zu sein, wenn die Polizei ihre Abschieberazzien durchführt, stellt eine Form des Widerstands dar. Um sich Abschiebungen weiterhin entziehen und in Deutschland bleiben zu können, suchen gefährdete Menschen nach einem sicheren Ort zum Schlafen.

Soli-Asyl beschreibt das Konzept und die Praxis, Menschen, die von Abschiebung bedroht sind, einen vorübergehenden Zufluchtsort anzubieten.

In einem gemeinsamen Akt des zivilen Ungehorsams und der gelebten Solidarität stellen sich aktive Teile der Zivilgesellschaft den schonungslosen Abschiebepraktiken der deutschen Ausländerbehörden entgegen. Anstatt diese Realität einfach hinzunehmen, öffnen sie ihre Türen und unterstützen Menschen in ihrem Kampf um Bleiberechte.

Weltweit und historisch betrachtet ist es eine lang gelebte Praxis, Menschen, für die Gefahr vom Staat ausgeht, Unterschlupf zu gewähren. Um sicherzustellen, dass eine Abschiebung vollzogen werden kann, geben die Behörden den Termin oft nicht bekannt. Daher verstecken sich tagtäglich Tausende von Menschen vor Abschiebungen. Dies geschieht jedoch meist innerhalb selbstorganisierter migrantischer Gruppen und Familienkreisen. Diese Kämpfe erfolgen somit oft fernab von der breiten Öffentlichkeit und bleiben in isolierten Lagern unsichtbar.

Es ist längst an der Zeit, dass auch Menschen mit mehr Privilegien diesen Beispielen des Widerstands folgen, sich solidarisch zeigen und von Abschiebung bedrohten Menschen Zufluchtsorte eröffnen. Diese Forderung ist auch mit einer der Hauptgründe, warum wir das »Netzwerk Soli-Asyl Würzburg« ins Leben gerufen haben.


Warum Soli-Asyl?

Das deutsche Asylsystem basiert bis heute auf rassistischen und kolonialen Kategorien, welche festlegen, wer in Deutschland leben darf und wer nicht. Kategorien, die der Kriminalisierung von Bewegungsfreiheit dienen und Ausnahmen nur für diejenigen vorsehen, deren Anwesenheit als ökonomisch und politisch nützlich betrachtet wird.

Ob Ausländerbehörde, Polizei, Erstaufnahmeeinrichtungen oder BAMF – sie alle tragen maßgeblich zur bewussten Aufrechterhaltung der vorherrschenden Machtstrukturen sowie kolonialen Herrschaftsverhältnisse bei. Dabei setzen sie ein in unserer Gesellschaft tief verwurzeltes rassistisches Weltbild in gewaltvolle Realität um.

Hinzu kommt, dass die deutschen Behörden die individuellen Beweggründe der Menschen, ihr Land verlassen zu wollen oder zu müssen, oftmals nicht anerkennen. Asylkriterien sind sehr pauschal und komplex formuliert und basieren auf der rassistischen Annahme, dass Menschen über ihre Fluchtgründe hinwegtäuschen.

Die Erfahrungen zeigen, dass Abschiebungen jeden Menschen ohne vermeintlich gesicherten Aufenthaltsstatus treffen können. So schrecken die deutschen Ausländerbehörden weder bei Menschen, die bereits seit Jahren in Deutschland leben oder gar hier geboren wurden, noch bei Menschen in vulnerablen oder prekären Lebenslagen vor einer gewaltvollen Abschiebung in andere Länder Europas oder in ihr Herkunftsland zurück – ungeachtet dessen, was sie dort erwartet.

Solange Abschiebungen als eine Form der nationalistischen Staatsgewalt praktiziert werden, muss es Widerstand geben!


Für wen ist Soli-Asyl?

Soli-Asyl richtet sich grundsätzlich sowie ausnahmslos an alle Menschen, die von einer Abschiebung bedroht sind und für ihr Bleiberecht in Deutschland kämpfen.

Wenn Asylsuchende nach Deutschland einreisen, zuvor jedoch in einem anderen EU-Staat registriert wurden, wird Deutschland versuchen, diese im Rahmen der EU-Verordnung »Dublin III« in das »Ersteinreiseland« abzuschieben.

Erst wenn die zuständige Ausländerbehörde einen Menschen nicht innerhalb von sechs Monaten den jeweiligen EU-Mitgliedstaat abschieben kann, wird Deutschland für das Asylverfahren zuständig. Dieser Zeitraum verlängert sich auf 18 Monate, wenn angenommen wird, dass der betroffene Mensch sich der Abschiebung willentlich entzieht und somit als »untergetaucht« betrachtet wird.

Aber auch Menschen, für die sich Deutschland zuvor als zuständig erklärt hat, benötigen nach endgültiger Ablehnung ihres Asylantrags einen sicheren Ort, der ihnen Zeit verschafft, alternative Lösungen zu finden. Alternative Möglichkeiten können etwa sein: die Beschaffung von medizinischen Attesten, eine Soli-Ehe oder aufenthaltsrechtliche Wege der Aufenthaltsverfestigung.

Zusammengefasst: Für wen ist Soli-Asyl?

  • Menschen, die in einem Zeitraum von sechs bis 18    Monaten nach Ablehnung ihres Asylantrags von einer Dublin-Abschiebung bedroht sind.
  • Menschen, deren Asylantrag endgültig abgelehnt wurde, die einen vorübergehenden Zufluchtsort benötigen, der ihnen Zeit verschafft, um alternative Lösungen zu finden.

Ob und wie lange Soli-Asyl sinnvoll ist, hängt stets von der individuellen Situation des*der Einzelnen ab. Gleichzeitig stellt Soli-Asyl die letzte Option dar, ein Bleiberecht zu erwirken. Erst wenn alle rechtlichen Möglichkeiten ausgeschöpft wurden, kann Soli-Asyl einen sinnvollen Beitrag zur Verhinderung von Abschiebungen leisten.


Du möchtest mehr über Soli-Asyl wissen, Dich über mögliche erste Schritte informieren oder erfahren, wie Du Dich darüber hinaus noch mit geflüchteten Menschen solidarisieren kannst? Dann wirfst Du am besten einen Blick in unsere Rubrik »Aktiv werden«.

Unter »Infomaterial« findest Du eine Liste hilfreicher Informationsmaterialien zum Thema Abschiebungen, praktische Tipps, wie Abschiebungen verhindert werden können sowie weitere Ressourcen zur Situation und Unterstützung geflüchteter Menschen.

Weitere Informationen zu Rechts- und anderen Fragen erhältst Du unter »Sicherheit und Rechtliches«.