🇬🇧 English
Solidarität zu zeigen ist menschlich. Die Bundesregierung sieht das anders. Mit Strafandrohungen sollen Menschen von solidarischen Handlungen und praktischer politischer Intervention abgeschreckt werden. Wir wollen ein Würzburg, in dem wir uns nicht fürchten, füreinander einzutreten sowie eine Stadt, in der wir bereit sind, mögliche Konsequenzen gemeinsam zu tragen. Wenn wir einige Sicherheitsmaßnahmen beachten, ist es sehr unwahrscheinlich, dass die Abschiebebehörden herausfinden, wo sich ein Mensch versteckt.
Wenn es doch zu Repressionen kommt, lassen wir Dich mit potenziellen Strafandrohungen natürlich nicht allein und werden versuchen, gemeinsam eine Lösung für die jeweilige Situation zu finden. Nicht zuletzt gibt es solidarische Strukturen, welche die Last von möglichen Geldstrafen auffangen können.
Welchen rechtlichen Status haben Menschen, die von einer Abschiebung bedroht sind?
Menschen, die akut von einer Abschiebung bedroht sind, besitzen oftmals eine sogenannte »Duldung«. Eine »Duldung« (»Vorübergehende Aussetzung der Abschiebung«) nach § 60a Abs. 1 S. 1 AufenthG erhält vor allem, wer zur Ausreise verpflichtet ist, aber nicht abgeschoben werden kann, weil dies aus rechtlichen oder tatsächlichen Gründen unmöglich ist. Dies kann beispielsweise eintreten, wenn kein Reisepass vorliegt oder eine Abschiebung aufgrund humanitärer oder anderen Gründen nicht zulässig ist.
Vollziehbar ausreisepflichtig werden Geflüchtete nach dem negativen Abschluss des Asylverfahrens. Aber auch Menschen, die ohne Visum nach Deutschland einreisen oder nach Ablauf des Visums in Deutschland bleiben und kein Asyl beantragen, sind »vollziehbar ausreisepflichtig« (§ 50 AufenthG).
Eine »Duldung« gilt meistens nur für kurze Zeit (mit Ausnahme der Ausbildungs- und Beschäftigungsduldung). Sie wird häufig für einen, drei oder sechs Monate ausgestellt. Die »Duldung«, erteilt wegen der Unmöglichkeit der Abschiebung, wird verlängert, wenn eine Abschiebung weiterhin nicht möglich ist. Auf diese Weise kann es sein, dass ein geduldeter Aufenthalt viele Jahre andauert.
Gleichzeitig kann das Entziehen einer »Duldung« jederzeit und plötzlich passieren, weswegen der Status für viele Betroffene mit permanentem Stress und Angst vor einer Abschiebung verbunden ist. Alsbald das Abschiebungshindernis wegfällt oder wenn ein bestimmtes Ereignis eintritt (zum Beispiel, wenn das Heimatland Reisepapiere ausstellt oder ein Härtefallantrag negativ beschieden wurde), droht akute Abschiebungsgefahr.
Menschen, die von einer Dublin-Abschiebung bedroht sind, besitzen meist eine sogenannte »Aufenthaltsgestattung« oder ein »Ausweisersatzpapier«. Genauso wie Geduldeten ist es auch diesen Menschen erlaubt, sich, unter Berücksichtigung ihrer Residenz- und Meldepflicht, frei zu bewegen und an Orten außerhalb der ihnen zugewiesenen Gemeinschaftsunterkunft zu schlafen.
Welche Konsequenzen haben Menschen durch die Inanspruchnahme von Soli-Asyl zu befürchten?
Wie zuvor beschrieben, kann Soli-Asyl etwa ein nützliches Instrument sein, um eine Dublin-Überstellungsfrist zu überbrücken. Gleichzeitig besteht die Gefahr, dass die Überstellungsfrist von sechs auf 18 Monate verlängert wird, sofern sich der betroffene Mensch nicht dauerhaft bei der offiziell gemeldeten Adresse aufhält. Zusätzlich kann Soli-Asyl von Abschiebung bedrohten Menschen Zeit verschaffen, um alternative Lösungen auszuloten, die es ihnen ermöglichen, in Deutschland zu bleiben. Ob und für wie lange Soli-Asyl sinnvoll ist, hängt aber stets von der individuellen Situation des*der Einzelnen ab.
Rechtlich gesehen ist ein Aufenthalt in Deutschland ohne Papiere eine Straftat (§ 95 AufenthG). In den meisten Fällen besitzen Menschen jedoch eine »Duldung« oder ein anderes Ausweisdokument und sind somit nicht illegalisiert. In wieder anderen Fällen überwiegt die Gefahr einer drohenden Abschiebung das Risiko einer Strafverfolgung.
Wir stehen im Austausch mit anderen solidarischen Initiativen und Anwält*innen und prüfen in jedem Einzelfall die Chancen und Risiken eines Soli-Asyls vorab gemeinsam.
Kann ich mich durch die Bereitstellung von Soli-Asyl in irgendeiner Art und Weise strafbar machen?
Menschen in Not zu helfen, sie willkommen zu heißen und ihnen Schutz zu gewähren ist eine der natürlichsten Sachen der Welt. Gastfreund*innenschaft und Solidarität ist keine Straftat und jede*r kann Menschen in seine eigenen vier Wände einladen. Strafandrohungen und Versuche, das Soli-Asyl zu kriminalisieren, sind natürlich trotzdem möglich.
Im Raum steht eine Beihilfehandlung nach § 95 AufenthG (»Gesetz über den Aufenthalt, die Erwerbstätigkeit und die Integration von Ausländern im Bundesgebiet«). Die von uns praktizierte Form des Soli-Asyls stellt jedoch keine solche Beihilfehandlung zu einem rechtswidrigen Aufenthalt dar.
Solange der von Abschiebung bedrohte Mensch noch eine gültige »Duldung« oder ein anderes Ausweisdokument besitzt – und das ist keine Seltenheit – handelt es sich um nichts anderes als Gastfreund*innenschaft.
Daher wird es oftmals von vornherein – mangels Erfüllung des Tatbestandes – schon nicht möglich sein, die Bereitstellung eines Zufluchtsorts zu kriminalisieren. Hinzu kommt, dass es, wie bereits erwähnt, sehr unwahrscheinlich ist, dass die Behörden herausfinden, wo ein Mensch unterkommt.
Nichtsdestotrotz ist es sinnvoll, sich der Möglichkeit sowie den Risiken einer Strafandrohung bewusst zu sein. Aber bedenke: Das von Dir getragene Risiko ist vermutlich viel geringer als das jenes Menschen, der abgeschoben werden soll.
Was kann ich tun, um das Risiko einer möglichen Strafandrohung zu minimieren?
Es ist allgemein ratsam, auf sichere Kommunikationswege zurückzugreifen. Das bedeutet, geschützte Kommunikationsformen zu nutzen, auf die nicht jede*r Zugriff hat. Hierzu solltest Du es vermeiden, unverschlüsselte Nachrichten mit sensiblen Inhalten auf unsicheren Kanälen (E-Mail, Facebook, WhatsApp, …) zu versenden. Alternativ kannst Du Deine E-Mails verschlüsseln oder einen Open-Source-Messenger wie »Signal« verwenden. Auch die Verschlüsselung Deines Laptops und Deines Smartphones ist viel leichter als Du vielleicht denken magst.
Nach Möglichkeit solltest Du vertrauliche Dinge am besten persönlich mit anderen besprechen. Natürlich erhalten auch Menschen, die Soli-Asyl in Anspruch nehmen, von uns ein Briefing in Sachen Sicherheit.
Im (sehr unwahrscheinlichen) Fall, dass die Polizei vor Deiner Tür steht, ist es gut, darauf vorbereitet zu sein. Die Polizei darf Deine Wohnung nur mit einem gerichtlichen Durchsuchungsbeschluss betreten. Weitere Informationen, wie Du Dich bei einer Hausdurchsuchung verhalten solltest, erhältst Du im Flyer »Hausdurchsuchung. Was tun?« der »Roten Hilfe e.V.«.
Sollte die Polizei den Menschen, der bei Dir unterkommt, verhaften, kontaktiere uns sofort. Manchmal kann ein gerichtlicher Eilantrag eine Abschiebung noch einmal abwenden.
Und was ist mit Menschen wie Euch, die öffentlich zur Gewährung von Soli-Asyl aufrufen?
Die bisherigen Erfahrungen aus anderen Städten zeigen, dass durchaus versucht werden könnte, das Verhalten der Beteiligten zu kriminalisieren. Das Aufrufen zur Unterstützung von Sol-Asyl könnte eine nach § 111 StGB (»Öffentliche Aufforderung zu Straftaten«) strafbare Handlung sein. Allerdings müsste es sich hierfür bei der von uns praktizierten Form des Soli-Asyls um eine rechtswidrige Tat handeln. Wir rufen jedoch nicht zur Begehung von Straftaten auf. Wir erklären vielmehr nur unsere Absicht, Menschen in Not zu unterstützen, sie willkommen zu heißen und ihnen Schutz zu gewähren.
Gleichzeitig ist uns bewusst, dass, je breiter eine Kampagne des zivilen Ungehorsams getragen wird, umso unwahrscheinlicher eine Strafverfolgung ist. Daher können Möglichkeiten und Risiken einer Kriminalisierung auch von uns nicht völlig ausgeschlossen werden.
Zudem bestätigte das Landgericht Aschaffenburg im Mai 2021, dass der »Aufruf von Abschiebung bedrohten Menschen Bürger*innenasyl zu gewähren und sie auch notfalls in ihren Wohnungen zu verstecken« nicht als Aufruf zu einer rechtswidrigen Tat gewertet werden kann. Weitere Informationen und Details zum Freispruch von Hagen Kopp findest Du hier.